Ablage: VORV/INT/Media/2025/04
AblB: Einzelfallbeobachtung
ElZGre: 01
Beobachtungen am Rand einer Personalie
HB-S
Es gehört zur Eigenart öffentlich-rechtlicher Funktionsräume, dass ihre Repräsentanten durch die Tür gehen, durch die sie hineingekommen sind – lautlos, im Dienstanzug, ohne Notizen. Constantin Schreiber, Sprecher der 20-Uhr-Tagesschau, wird diese Tür Ende Mai hinter sich schließen. Der Deutschlandfunk z. B. vermeldet es nachrichtlich. Nicht mehr, nicht weniger.
Was jedoch bemerkenswerter ist als der Abgang selbst, ist die Begründung: Man wolle „wieder inhaltlich journalistisch arbeiten“. Der Satz steht da wie eine Nebenbemerkung. Doch er ist ein Protokollsatz mit Aussagewert. Denn er enthält die implizite Anerkenntnis, dass das, was die Sprecher der Tagesschau tun, nicht als journalistische Arbeit im inhaltlichen Sinne gilt.
Die Relevanz dieser Feststellung liegt nicht in der Person Schreibers, sondern in der Struktur der berichtenden Instanz. Der Deutschlandfunk, selbst Teil des öffentlich-rechtlichen Systems, trägt die Meldung weiter, wie man einen Umschlag überreicht: verschlossen, absenderneutral, zustellungsfreundlich. Was fehlt, ist der zweite Blick – der Blick auf das Dahinter. Kein Hinweis auf institutionelle Rollenteilung, auf redaktionelle Entkopplung, auf die eigentümliche Tatsache, dass Glaubwürdigkeit hier getrennt wird von Verantwortung.
Die Tagesschau bleibt. Der Sprecher geht. Und der Deutschlandfunk berichtet. Ohne Frage, ohne Zwischenton. Als sei der Sprecher lediglich ein Exponat in einer Ausstellung, die sich selbst kuratiert. Es bleibt dem Hörer überlassen, die Differenz zwischen Sichtbarkeit und Zuständigkeit zu erfassen.
Abgänge sagen nicht immer etwas über Personen. Aber häufig über das Haus, in dem sie stattfinden.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/constantin-schreiber-verlaesst-die-tagesschau-104.html
HB-S